Lindau, Januar 2011
Webmaschinen für Mode und Technik
Weltweit revolutionäre ORW-Technologie aus Lindau-Bodensee
Über mehrere Jahrzehnte widmete sich der Textilmaschinenbau der Anforderung, die Funktionen der Webmaschine weiterzuentwickeln, um die Leistungsfähigkeit, die Flexibilität, das Handling und die Automation bei gewährleisteter Qualität und Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Nun wurde in Lindau eine Weltneuheit in der ORW-Technologie (Open Reed Weave Technology) entwickelt.
Unter den textilen Flächengebilden wie Gelege, Vlies, Strick- und Wirkware zeichnen sich die Gewebe durch die Vielseitigkeit ihrer Konstruktionen, die gut reproduzierbaren Eigenschaften und die
hohe Umsetzung der Materialeigenschaften in die Gewebeeigenschaften aus. Jedoch hat ein „normales“ Gewebe nicht nur Vorteile sondern auch Nachteile. Bei der Erstellung von Musterungen auf der
Gewebeoberfläche ist allgemein mit einer Erhöhung des Quadratmetergewichtes, sowie einer deutlichen Zunahme des technischen Aufwandes zu rechnen.
Aufgrund der Orientierung des Schuss- und Kettmaterials in 0° und 90° Richtung im Gewebe wird ihre Gestalt nur als orthogonal und anisotrop bezeichnet. Bei Anwendungen im Bereich der technischen
Textilien wird dies oft als Nachteil betrachtet.
Intensive Gedanken, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ergaben, dass der bisher bekannte Webprozess noch veränderbar und die Integration von Zusatzfunktionen möglich ist. Maschinenbauliche Maßnahmen in der Konstruktion des bestehenden Webblattes ermöglichen es, auf den Oberbund des Webblattes zu verzichten. Ein neu gestalteter Unterbund bildet mit den Blattstäben eine stabile Einheit, die zur Aufnahme der dynamischen Beanspruchungen im Webprozess geeignet ist.
Damit ist der Grundstein für die Open Reed Weave Technologie (ORW) gelegt.
Eine große verfahrenstechnische Herausforderung für die ORW-Technologie war, einen Faden aus einer Lücke im Webblatt herauszubewegen und in eine neue Lücke einzutauchen. Hierfür wurden zwei
Verfahren entwickelt.
Nach einem Form- und Kraftschlussprinzip arbeitet das erste Verfahren und bildet die Grundlage für eine Stick-Webmaschine zur Herstellung von Bekleidung und
Heimtextilien. Diese Maschine wird ab Ende 1. Quartal 2011 serienmäßig lieferbar sein.
Das zweite Verfahren arbeitet nach dem Formschlussprinzip und stellt eine Plattform für die Produktion neuartiger, anspruchsvoller technischer Textilien dar.
Die DORNIER Webmaschinen mit ORW-Technologie werden drei Bereiche in der Produktionskette zur Herstellung von technischen Textilien abdecken.
Es können Gittertextilien mit stabileren Maschen für Geo-, Agrar- und Filtrationstextilien sowie statische Verstärkungen für Betonfertigbauteile hergestellt werden.
Das Hauptfeld der ORW-Technologie wird die Erzeugung von Multiaxialgeweben sein. Der bisher bekannte Charakter des Gewebes als „anisotropes“ Flächengebilde wird in eine „quasi isotrope“ Gestalt
mit vielseitigen Konzipierungsvariationen gewandelt. Diese Kriterien im Gewebe begünstigen den Vorzug für die Verwendung im Halbzeugbau.
Eine besonders interessante Qualifikation im ORW-Webprozess ist das Einweben von partiellen Verstärkungen. Diese können als „Inselverstärkung“ in Geweben für Ballistik (Schutzwesten) Verwendung finden oder als „Rahmenverstärkung“ in Composite-Materialien für den Flug- und Fahrzeugbau eingesetzt werden.
Von Fachleuten wird die ORW-Technologie als revolutionär bezeichnet, weil sie den Webprozess erweitert und ihm neue Qualifikationen verleiht. Außerdem dient sie als Hilfsmittel, um sich in den
wachsenden Märkten wie Windkraft-, Bau- und Automobilindustrie besser zu behaupten und den Innovationsstandort Deutschland zu erhalten.
Das Ausmaß der Horizonterweiterung durch die neue ORW-Technologie ist derzeit noch nicht absehbar.
von
Dr. Ing. Adnan Wahhoud, geboren in Damaskus/Syrien.
Maschinenbau-Studium und Promotion an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.
Seit 1987 Leiter der Forschung und Entwicklung für Webtechnik bei der Lindauer DORNIER GmbH.
www.lindauerdornier.com